Populismus und Klimaschutz: Spannungsfeld zwischen öffentlicher Meinung und wissenschaftlicher Erkenntnis

„Es ist bis heute nicht nachgewiesen, dass der Mensch, insbesondere die Industrie, für den Wandel des Klimas maßgeblich verantwortlich ist.“ Wahlprogramm der AFD zu Bundestagswahl 2017

„Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit!“ Europäische Institut für Klima & Energie (EIKE)

Aussagen wie diese durchziehen inzwischen die Medien, Wahlprogramme und auch Bundestagsreden.

Wie wir Populismus erkennen können, welche verschiedene Arten von Klimaleugnung es gibt und wie wir Klimaleugner:innen begegnen können zeigen wir euch in diesem Artikel.

Was ist Populismus und wie erkennt man ihn? – Volk vs. Elite

In der Wissenschaft gibt es mehrere Ansätze, den Begriff Populismus zu definieren. Viele der zu dem Thema forschenden Wissenschaftler:innen ist sich jedoch einig: Populismus ist als Einstellungsmuster in Form einer Ideologie zu fassen. Im Kern dieser Ideologie steht die Spaltung der Gesellschaft in zwei Gruppen: Einerseits gäbe es das „anständige Volk“, dessen „wahren Volkswillen“ die Populist:innen vertreten. Auf der anderen Seite gäbe es die korrupte Elite, denen alle etablierten Politiker:innen, Journalist:innen und Wissenschaftler:innen usw. angehören, die ihre eigenen Interessen über die Interessen des „Volkes“ stellen. Somit nutzen Populist:innen eine Gruppenidentität für sich und stellen sich als die einzig wahren Vertreter:innen des Volkes dar.  Es soll ein „WIR gegen DIE“- Gefühl entstehen, um Sympathie aus der Gesellschaft zu erlangen.

In Ihrer Sendung Maithink X erklärt May Thi Nguyen-Kim wie sich populistische Aussagen an folgenden rhetorischen Tricks bedienen und wie du sie erkennen kannst:

  • Die schweigende Mehrheit

„Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss!“ Hubert Aiwanger, (demokratisch gewählter) stellvertretender Ministerpräsident von Bayern

Das Mittel der „schweigenden Mehrheit“ wird oft gewählt, um eigenen Ansichten als die der Mehrheit zu verkaufen. Es wird behauptet, dass diese schweigende Mehrheit von der Politik nicht gehört wird und auch die Ansichten der Minderheit teilt, dies aber nicht öffentlich sagt. Dadurch lässt sich eine größere Anhängerschaft vortäuschen, die aber tatsächlich nicht nachweisbar ist.

  • Das Falsche Dilemma

„Wer Waffen liefert, will Krieg. Sonst würde er Diplomaten schicken.“ Sahra Wagenknecht zitiert ein Demo-Schild, das sie nach eigener Aussage gesehen habe.

Schwarz oder weiß. Diese Aussage schließt aus, dass es nichts zwischen zwei Extremen gibt und polarisiert dadurch. Da keiner Krieg will, muss also jeder gegen Waffenlieferungen sein.

  • Ad Hominem: Der Angriff

„Ein krankes Kind, denn es ist bekannt, dass Greta Thunberg am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus leidet. Der Fall Greta ist von höchster Symbolkraft für die wahnhafte Klimarettungspolitik im Ganzen. […] Asperger-Patienten pflegen ein extremes Schwarz-Weiß-Denken. Das Abwägen und Differenzieren ist nicht ihre Sache.“ Marc Jongen (AFD) in einer Bundestagsrede

Wenn sachliche Argumente ausgehen wird es persönlich. Dadurch kann vom eigentlichen Problem abgelenkt werden, es wird nicht mehr über den Sachverhalt diskutiert, sondern über den persönlichen Angriff.

  • Der Strohmann

„Wenn der Herr Özdemir mir vorschreiben will, dass ich keinen Zucker mehr in meinen Kaffee tun soll […]“ Uli Hoeneß im BR-Sonntags-Stammtisch

Der Gegenseite wird eine Position unterstellt, die sei eigentlich gar nicht vertritt und die leichter zu widerlegen ist. Das ursprüngliche Argument (in dem Fall das auf Kinder gerichtete Werbung für zuckerhaltige Getränke eingeschränkt werden soll) wird so verzerrt, dass nur über das neue Argument diskutiert wird.

  • Motte und Bailey

„Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus diese Flüchtlinge nach Deutschland, zurück in die Ukraine, nach Deutschland, zurück in die Ukraine.“ Friedrich Merz

Als Reaktion auf heftige Kritik ruderte Friedrich Merz kurz darauf zurück: Er habe das Wort „Sozialtourismus“ nicht in der Absicht verwendet, damit jemandem zu nahe zu treten oder persönlch etwas vorzuwerfen, sondern wollte darauf hinweisen, dass es zunehmende Probleme mit der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen gäbe.

Wenn Populist:innen mit einer Aussage auf Kritik stoßen, schwächen sie ihr Argument so sehr ab, dass es einfacher zu verteidigen ist oder beteuern, dass sie es anders gemeint haben. Die Problematik und der Trick dabei sind aber, dass am Ende immer noch etwas von der kontroverseren Aussage in den Köpfen der Menschen hängen bleibt und weiterverbreitet werden kann.

Wie hängen Populismus und Klimawandelleugnung zusammen?

Während das gesellschaftliche Interesse für Klimapolitik durch Proteste wie „Fridays for future“ zunimmt, ist in Deutschland und Europa auch das Erstarken populistischer Parteien zu beobachten. Bei der Europawahl 2019 haben vor allem grüne und rechtspopulistische Parteien Stimmen gewinnen können. Die daraus entstehende gesellschaftliche Polarisierung führte dazu, dass sich manche europäischen Parteien sogar gegen den wissenschaftlichen Konsens des anthropogen versursachten Klimawandels aussprechen.

David Schlingmann analysierte in seinem Beitrag „Klimapolitik und Populismus“ die klimapolitischen Standpunkte der AfD. Dabei nannte er folgenden Parallelen zwischen (rechts-)populistischer und klimaskeptischer Argumentationsstrukturen:

Klimaleugner:innen verwenden eine pseudo-wissenschaftliche Herangehensweise, um die komplexe Thematik des Klimawandels zu vereinfachen und durch gezielte Auswahl von Informationen und Falschdarstellungen Skepsis zu schüren. Sie relativieren beispielsweise die Bedeutung von CO2 in der Atmosphäre, verweisen auf vergangene Wärmeperioden, um die gegenwärtige Erderwärmung zu relativieren, oder betonen, dass menschliche Aktivitäten nicht für den Klimawandel verantwortlich seien. Dadurch bedienen sie sich des populistischen Konzepts der „alternativen Fakten“, um ihre Argumentation zu stützen.

Des Weiteren lehnen Klimaleugner:innen typischerweise wissenschaftliche Erkenntnisse des IPCC ab und betrachten diesen als Mittel zur Unterdrückung und Gefahr für die Autonomie des „einfachen Volkes“. Sie glauben an eine Verschwörung der Klimaforscher und kritisieren die Expertise als elitär und entfremdet von der Bevölkerung. Dieser Anti-Elitarismus ermöglicht es, Feindbilder zu konstruieren, wobei nicht nur Klimaforscher, sondern auch Umweltschützer und Klimaaktivisten ins Visier genommen werden. Insgesamt zeigt sich, dass populistische Konzepte wie Anti-Elitarismus und die Betonung der „einfachen Bevölkerung“ in der Argumentation von Klimaleugnern präsent sind.

Rechtspopulistische Bewegungen nutzen die zunehmende Unzufriedenheit mit der Energiewende aus, indem sie sie als „Projekt abgehobener urbaner Eliten“ darstellen. Dabei bedienen sie sich am populistischen Konzept der Kritik am Establishment.  Sie kritisieren die Expertenmeinungen als bevormundend und betonen die Solidarität mit den vermeintlich benachteiligten „einfachen Bürgern“. Die Auswirkungen der Energiewende damit einhergehende potenzielle Arbeitsplatzverluste, Fahrverbote und höhere Abgaben werden als Last für die „einfache“ Bevölkerung dargestellt.

David Schlingmann kommt in seiner Analyse zu dem Fazit, dass die AfD im Bereich der Klimapolitik populistisch argumentiert. Sie verwendet dabei vorallem positive Bezüge zum Volk und kritisiert das politische Establishment.

Wie können wir mit Klimaleugner:innen diskutieren?

Gespräche mit Klimaskeptiker:innen oder Personen, die sich noch nicht intensiv mit dem Thema Klimawandel beschäftigt haben, können leicht emotional und hitzig werden. Doch bei einem so komplexen Thema ist es entscheidend, klar und ruhig zu argumentieren, um überzeugend zu sein. Greenpeace hat zehn Tipps zusammengestellt, die helfen sollen, eine konstruktive Diskussion zu führen:

  • Erwartungen steuern

Die Wissenschaft wird oft als Quelle klarer Antworten angesehen. Doch eigentlich ist Wissenschaft eine Methode, um Fragen zu stellen und die Welt zu erforschen. Sie arbeitet oft mit Wahrscheinlichkeiten und benennt Unsicherheiten, die Debatten und Interpretationen hervorrufen, wie auch in der Klimawissenschaft. Im Alltag begegnen wir ständig Unsicherheiten und treffen dennoch Entscheidungen. Ähnlich verhält es sich mit dem Klimawandel: Auch wenn wir vielleicht nicht alles darüber wissen, haben wir genug Informationen, um zu erkennen, dass ohne Maßnahmen die negativen Auswirkungen zunehmen werden.

  • Beginne mit dem, was du weißt und nicht dem, was du nicht weißt

Es ist entscheidend, Unsicherheiten in wissenschaftlichen Fragen anzuerkennen und transparent zu kommunizieren. Allerdings kann ein Gespräch schnell abgelenkt werden, wenn es mit Unsicherheiten beginnt. Starte daher mit den etablierten Fakten. Es gibt klare wissenschaftliche Antworten auf grundlegende Fragen wie „Ist der Mensch für den Klimawandel verantwortlich?“ und „Welche Auswirkungen haben ungebremste Kohlenstoffemissionen auf das Klima?“

  • Geschichten über Menschen erzählen

Persönliche Erfahrungen haben oft mehr Gewicht als abstrakte Studien. Daher ist es von Vorteil, den Klimawandel durch Geschichten von Betroffenen greifbar zu machen und ihre Reaktionen zu zeigen. Auf diese Weise wird der Klimawandel nicht nur als wissenschaftliches Thema, sondern als eine gesellschaftliche Realität wahrgenommen, die direkte Auswirkungen auf Menschen hat.

  • Wissenschaftlichen Konsens verdeutlichen

Es ist entscheidend, den breiten Konsens unter Wissenschaftler:innen zu betonen, damit Menschen den Klimawandel als dringliches Problem erkennen. Dabei können anschauliche Grafiken helfen, komplexe Informationen verständlich zu machen. Zudem sind vertrauenswürdige Botschafter wichtig, die die Werte der Zuhörer:innen teilen.

  • Die wichtigste Frage zu den Auswirkungen des Klimawandels ist „wann“ – und nicht „ob“

Für viele Menschen erscheinen die Auswirkungen des Klimawandels als abstrakte Risiken in der fernen Zukunft. Jedoch steht fest, dass diese Folgen eintreten werden, und die Frage ist nicht ob, sondern wann. Oft werden Prognosen in einer unsicheren Form präsentiert, zum Beispiel: „Der Meeresspiegel wird zwischen 25 cm und 68 cm bis zum Jahr 2072 ansteigen, wobei 50 cm die durchschnittliche Prognose sind.“ Es ist jedoch effektiver, eine Aussage mit einem unsicheren Zeitrahmen, aber einem sicheren Eintreten zu machen. Zum Beispiel: „Der Meeresspiegel wird mindestens um 50 cm ansteigen, und dies wird zwischen 2060 und 2093 geschehen.“

  • Kommunikation mit Bildern und Geschichten

Viele Menschen finden Bilder und Geschichten einfacher zu verstehen als Zahlenlisten, Wahrscheinlichkeiten oder technische Diagramme. Deshalb ist es verständlicher, die Fachsprache aus wissenschaftlichen Berichten zu übersetzen und zu veranschaulichen.

  • Von „Unsicherheit“ zu Risiko

Wir sind daran gewöhnt, Risiken abzuwägen, insbesondere in Bereichen wie Versicherungen, Gesundheit und nationaler Sicherheit. Es ist oft effektiver, über Risiken statt über Ungewissheiten zu sprechen. Alltägliche Beispiele wie Überschwemmungen oder Ernteausfälle machen die Risiken des Klimawandels greifbarer.

  • Fördere einen positiven Umgang mit Unsicherheit

Ein optimistischer Blickwinkel ermutigt in ungewissen Zeiten und motiviert dazu, präventive Schritte zu unternehmen.

  • Unterhaltung statt Streitgespräch

Viele Menschen beschäftigen sich nicht ausführlich mit dem Klimawandel. Das bedeutet, dass selbst eine kurze, nicht konfrontative Unterhaltung einen bedeutenden Einfluss haben kann, indem sie Aufmerksamkeit erregt und möglicherweise die Bereitschaft zur Handlung fördert.

  • Verstehen, was die Ansichten der Leute beeinflusst

Bei politisch polarisierenden Themen neigen viele Menschen dazu, Informationen entsprechend ihrer politischen Überzeugungen zu filtern. Forschungsergebnisse aber zeigen, dass über den Klimawandel kommuniziert werden kann, ohne das konservative Wertesystem zu bedrohen. Daher könnte es in Diskussionen über die Ungewissheiten des Klimawandels hilfreich sein, auf Aspekte wie Risikoaversion, Pragmatismus, Sicherheit und den Wunsch nach Erhaltung der Natur einzugehen.

Eine ausführliche Erklärung der Techniken könnt ihr im Handbuch „Ungewissheit gekonnt vermitteln“ nachlesen.

https://climateoutreach.org/download/6892

Quellen: https://regierungsforschung.de/klimapolitik-und-populismus/

https://www.greenpeace.org/luxembourg/de/aktualitaet/3995/richtig-argumentieren-10-tipps-fuer-diskussionen-mit-klimaskeptikern/

https://regierungsforschung.de/klimapolitik-und-populismus/

Video: „Wie populistische Politiker uns verarschen“  vom Format MaiThink X des ZDF

https://www.zdf.de/show/mai-think-x-die-show/maithink-x-folge-31-populismus-100.html

Weitere Literatur:

https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Quantum_Sommer_Rechtspopulismus_Ausgabe_BpB_Leseprobe.pdf

https://www.uni-flensburg.de/fileadmin/content/zentren/nec/dokumente/projekte/ponn/210625-aufkostendesvolkes-komplett-ansichtsdatei-doppelseiten.pdf

https://soziologieblog.hypotheses.org/files/2020/12/22-Sturm-Populismus-und-Klimaschutz.pdf

https://www.klimafakten.de/kommunikation/klimawandelleugnung-und-rechtspopulismus-so-ueberschneiden-sich-strategien-undhttps://skepticalscience.com/Politiker-und-Falschinformationen-KHilse.shtml

Mai Anh Vu

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